Thermoölanlagen zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie Prozesswärme in einem sehr weiten Temperaturbereich nahezu drucklos bereitstellen können. Weitere Vorteile: Sie sind wartungsärmer, benötigen keine Wasseraufbereitung, lassen sich sehr genau regeln und zeichnen sich – im Vergleich zu Dampf – durch geringere Investitionen aus (siehe auch diesen Blogbeitrag). Aus diesen Gründen erschließt sich die Thermoöltechnik seit Jahrzehnten stetig neue Anwendungsfelder und findet heutzutage in nahezu allen produzierenden Branchen Anwendung. Die Vielfalt dieser industriellen Anwendungen ist sehr beeindruckend. Einige interessante und wichtige Anwendungen stellen wir ab sofort in unregelmäßig erscheinenden Beiträgen vor. Wir starten in diesem Beitrag mit der Chemieindustrie.
Chemieindustrie
Die Chemieindustrie gehört zu den bedeutendsten Industriebranchen in Deutschland. Gemessen am Umsatz liegt sie hinter dem Straßenfahrzeugbau und dem Maschinenbau knapp hinter der Elektro- und Elektronikindustrie auf Rang 4, gemessen an den Beschäftigten auf Rang 5. Die Branche produziert in erster Linie Vorleistungsgüter für nahezu alle Produktionszweige. Die größten Abnehmer sind – neben der Chemieindustrie selbst – die gummi- und kunststoffverarbeitende Industrie, private Haushalte (vor allem über die Nachfrage nach Reinigungs- und Pflegemitteln), das Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe, der Automobilbau, das Baugewerbe, die Papier- und Druckindustrie, die Metallerzeugung und die Pharmaindustrie (Quelle: IG Bergbau, Energie, Chemie; Rammer, Legler und Krawczyk 2007).
In der chemischen Industrie spielt die Verfügbarkeit von Prozesswärme im hohen Temperaturbereich eine wichtige Rolle. Thermoölsysteme werden hier beispielsweise eingesetzt zur Beheizung von Polymerisationsanlagen, Polykondensationsanlagen, zur Spinnkopf-Beheizung und zur Polyesterfaser-Herstellung aber auch im Bereich der Kunststoff-Extrusion, der Temperierung von Knetern, Trocknern, Nutschen und Reaktoren.
Anwendung: Reaktorbeheizung
Bei der H&R AG, einem Hersteller von chemisch-pharmazeutischen Spezialprodukten auf Rohölbasis sowie Präzisions-Kunststoffteilen in Salzbergen, dienen Reaktoren der Herstellung von hochreinem Paraffin für medizinische Produkte. H&R (1.550 Mitarbeiter weltweit, Jahresumsatz mehr als 1 Mrd. EURO) verfügt in Salzbergen im Emsland über eine der ältesten und zugleich modernsten Schmierstoff-Raffinerien der Welt.
Gemeinsam mit heat 11 installierte das Unternehmen in 2013 eine neue Anlage zur Wärmeversorgung von zwei Hochdruck-Hydrieranlagen. Dabei fand man ungewöhnliche Lösungen. Getreu ihrem Motto „Öl ist zum Verbrennen viel zu schade!“ verarbeitet der mittelständische Chemie-Spezialist Rohöl zu mehr als 800 unterschiedlichen Produkten. Besonderen Wert legt man im Emsland darauf, dass sich die Produktionsanlagen stets auf dem neuesten Stand der Technik befinden. Die im Zuge einer Produktionserweiterung und Durchsatzsteigerung der zwei Hydrieranlagen neu installierten Reaktoren dienen der Herstellung von hochreinen Paraffinen und Weißölen für die Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelbranche.
Hohe Prozess-Anforderungen
Die eingesetzte Thermoölanlage zur Beheizung dieser Reaktoren sollte sehr effizient und wirtschaftlich arbeiten, zudem musste sie äußerst strenge Lärmemissionsvorschriften einhalten, da die Raffinerie an ein Wohngebiet grenzt. Erschwerend kam hinzu, dass zur Installation der Anlage nur sehr wenig Platz zur Verfügung stand. Weiterhin musste die Anlage in die bestehende Anlagenstruktur nahtlos eingebunden werden und die zur Verfügung gestellten Temperaturen sollten sich in einem großen Bereich regeln lassen. Eine verbesserte und einfache Bedienbarkeit sowie die obligatorische 24/7-Verfügbarkeit der Anlage komplettierten das anspruchsvolle Anforderungsprofil.
Verbesserte Temperaturregelung
Die hohen Anforderungen an die Temperaturregelung wurden schließlich mit einer heat 11-Thermoölanlage mit gasbefeuerten Erhitzer (Heizleistung 2.000 kW) gelöst, dessen Brenner sich durch einen besonders großen Regelbereich von 1:10 auszeichnet. Neben dem Erhitzer (Kessel und Feuerungsanlage mit Steuerung) besteht die Gesamtanlage aus Luftvorwärmer, Doppelpumpengruppe, Kaminanlage sowie kombiniertem Ausdehnungs- und Sammelbehälter.
Trotz einer hohen Vorlauftemperatur von 375° C verfügt die Thermoölanlage über einen Wirkungsgrad von über 90 %. Erreicht wird dies durch eine Verbrennungsluft-Vorwärmung auf 210 °C sowie einer O2-Regelung des Verbrennungsprozesses. Als Wärmeträger wird dabei Therminol 72 verwendet, eine synthetische Wärmeträgerflüssigkeit, die im Bereich von -10°C bis 380°C einsetzbar ist.
Redundante Ausführung
Gemäß den strengen H&R-Werksvorschriften wurde die Anlage komplett redundant ausgelegt und mit einer Volumenstromregelung ausgerüstet. Eine weitere Besonderheit war die Ausführung von Ausdehnungs- und Sammelbehälter, die als Kombibehälter ausgelegt wurden. Dank des guten Zusammenspiels von Anlagenbetreiber und –hersteller läuft die Anlage nach der erfolgreichen Inbetriebnahme seit mehr als zwei Jahren störungsfrei.
Weiterführende Informationen
Projektdaten
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